Der Fall Rosalia und Franz Schneider
Stellenvermittlung, privat
Lukrativ für den Anbieter, letal für den Kunden: Wie gut ein privater Arbeitsmarkt funktioniert, auf dem Arbeit wie eine Ware gehandelt, gekauft und verkauft wird. Ein weiteres Beispiel aus Wien.
Marie Hottwanger aus Hollabrunn in Niederösterreich, 25 Jahre alt und Dienstmädchen in Wien, suchte einen neuen Posten. Seit Ende Januar 1891 hatte sie sich in einem Kabinett beim Ehepaar Schmidt in der Mariahilfer Straße Nummer 43 einquartiert. Ihre Wirtsleute lobten sie als eine sehr ordentliche, ruhige und hilfsbereite Mieterin. Im März schien sie eine Stelle gefunden zu haben, verließ diese aber schon nach vierzehn Tagen wieder. Sie gefiel ihr nicht. Sie war an große Haushalte gewöhnt und wollte unbedingt wieder in einem solchen arbeiten. Als aber ihr eigenes Suchen nicht zum Erfolg führte und auch ihre Ersparnisse langsam zur Neige gingen, entschloss sie sich dann doch, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Am Vormittag des 2. Juli 1891 meldete sie sich im Dienstvermittlungsbüro Meixner am Franziskanerplatz in der Wiener Innenstadt an.
Ihr Freund, der Goldarbeiter Karl Hornung, hatte sie begleitet und wartete im Gasthaus gegenüber. Schon nach kurzer Zeit sah er seine Freundin mit einer älteren, kleinen und auffallend mageren Frau aus dem Büro auf die Straße treten und gemeinsam weggehen. Verabredungsgemäß blieb er vorerst sitzen. Er wollte sich nicht gleich zu erkennen geben. Wahrscheinlich wäre die neue, künftige Herrschaft unangenehm berührt, wenn sie erfuhr, dass Marie einen festen Freund hatte. Nach etwa zwanzig Minuten kamen die beiden Frauen zurück.
Marie blieb auf der Straße stehen, die unbekannte Begleiterin aber betrat plötzlich das Gasthaus, in dem Karl Hornung wartete und trat zu einem Mann, der am Nebentisch saß und einen auffallend großen, roten Schnurrbart trug. Sie beugte sich zu ihm hinunter und Hornung hörte, wie sie sagte: "Sie kommt schon". Dann verließ sie die Gaststube wieder und ging mit Marie in der Richtung Kärntner Straße davon. Der Mann mit dem roten Schnurrbart stand ebenfalls auf und folgte den beiden in kurzer Entfernung. Karl Hornung entschloss sich, weiter zu warten, obwohl ihm die Szene eigenartig vorkam. Von jetzt an aber wartete er umsonst. Keine Nachricht, kein Lebenszeichen mehr von seiner Freundin.
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Hörprobe (5:21) "Stellenvermittlung, privat: Der Fall Rosalia und Franz Schneider" aus der Reihe "Mordsarbeit" Laden des Audioplayers ...
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Credits
Henner Kotte, Jahrgang 1963, ist ein in Leipzig lebender und arbeitender Autor, Redakteur, Moderator, Regisseur, Theaterkritiker und Stadtführer. Er ist vor allem für seine in Leipzig spielenden Kriminalromane bekannt geworden.
Christian Lunzer wurde 1943 geboren und lebt als Buchhändler und Verleger in Wien. Er war Lehrbeauftrager für Publizistik an der Donau-Universität Krems und hat sich auch als Sachbuchautor einen Namen gemacht.
Claus Vester, 1963 in Düsseldorf geboren, sammelte bereits während seines Studiums erste Erfahrungen in der freien Münchner Theaterszene und bei einem Tourneetheater. Neben seiner Arbeit als Hörbuch-Regisseur steht er seit einigen Jahren auch als Sprecher zahlreicher Hörbuch-Produktionen vor dem Mikrofon.
Mordsarbeit
Henner Kotte, Christian Lunzer, Claus Vester (Spr.)Wenn Kollegen Mörder werden...
4 CDs, ungekürzte Lesung, ca. 274 Min.
2012, cc-live
19,95 €
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